Er überflog die Schlagzeilen auf dem Hamburger Abendblatt, räumt den Geschirrspüler aus und trug das Altglas hinaus, fünf Weinflaschen und die Ginflasche, die er hinter der Kaffeedose im Regal entdeckt hatte, bis auf den letzten Tropfen geleert.
„Kann ich irgendwas für dich tun?” „Im Moment möchte ich nur allein sein.” „Versteh ich, Jon. Aber bisschen was zu essen vielleicht? Manni hat doch morgen Geburtstag, wir feiern rein. Soll ich dir ein paar Würstchen bringen? Oder Hähnchenkeulen? Du weißt doch, essen und trinken hält Leib und Seele zusammen.” Diese Frau war eine Fundgrube für Plattitüden aller Art. „Nein danke.” „Hat dir den Appetit verschlagen, was? Meinst du, ich soll die Party lieber absagen? Wegen Charlotte?”
Sie zogen um in die Küche, Julie stellte Brot, Käse und Obst auf den Tisch und machte eine Flasche Wein auf. Jon wollte nur ein halbes Glas., „ich muss ja noch fahren”. Sie widersprach nicht.
„Können wir uns noch sehen?” „Heute nicht, Jon. Ich muss dringend mal früher ins Bett.” „Kannst du doch. Aber ich würde dich gerne zum essen einladen.” „Essen”, stöhnte sie. “Ich muss einkaufen, mein Kühlschrank ist leer, und außer einem Sandwich heute mittag hab ich nichts gehabt.” „Umso besser. Dann hol ich dich um acht ab. Was magst du am liebsten?” „Italienisch”, sagte sie. “Pizza, Spaghetti, Risotto, o Gott, ich darf gar nicht daran denken.” „Ich bestell einen Tisch irgendwo bei dir in der Nähe. Damit du früh wieder Zuhause bist. Einverstanden?” „Überredet”, sagte sie. “Aber mach dich darauf gefasst, dass ich dir die Haare vom Kopf fresse.” „Ich hab genug davon.” „Angeber”. Sie lachte und legte auf.
Nach der Schule fuhr er beim Supermarkt im Tibarg-Center vorbei und besorgte Katzenfutter. In der Filiale der Schlachterei Voss überlegte er lange, was er Robert am Abend vorsetzen sollte. Er nahm schließlich Lammkoteletts.
In der Küche deckte er den Tisch, Schinken, Käse, ein weiches Ei, Orangensaft. Mit Charlotte hatte er nie gefrühstückt, auch am Wochenende nicht, es war ihnen zu viel Aufwand gewesen. Sie hatte ihren Tee getrunken, er seinen Kaffee, das war`s. Während die Espressomaschine aufheizte, ging er ins Wohnzimmer, legte die Oscar-Peterson-CD ein und stellte sie laut.
Jon atmete weiße Wölkchen aus. Er fragte sich, wie er mit einem Menschen befreundet gewesen sein konnte, der derartige viele Vorräte anhäufte, der sich so maßlos mit dem Essen und Trinken beschäftigte. Einer, dem das Kulinarische so viel wichtiger war als geistige Nahrung, hatte doch eindeutig nicht alle Tassen im Schrank.
In der Eingangshalle standen zwei Reinemachefrauen mit Eimern in den Händen und unterhielten sich über Spargelrezepte. Er musste unbedingt noch etwas zu essen einkaufen für den Abend mit Julie. Vielleicht Erdbeeren, dann konnte er ihr demonstrieren, wie sie in ihrem roten Rock mit der weißen Bluse aussah.
Hat es geschmeckt ?
Das Leben resetten. Neu anfangen. Ein beliebter Midlifecrisis-Gedanke, der öfters mal in eine Scheidung oder dem Kauf einer Harley Davidson mündet. Borger & Straub haben für Lehrer Jon einen anderen, weniger handzahmen, Trip vorgesehen. Gewünscht hätte ich mir ein Happy End, doch hier lag ein Kriminalbericht in meinen Händen, und das Aggressionspotential des Pädagogen verhinderte einen Abzweig ins Glück. Des Remote-Autorenpaars Prosa lief gut rein. Das Hauptpersonal in IM GEHEGE war kulinarisch der Toskanafraktion zugeneigt. Einem begehbaren Kühlschrank bin ich zuvor noch nie begegnet, doch Menschen, die so etwas anschaffen, haben, Zitat, ja nicht „alle Tassen im Schrank”.
Auf dem Deckel
Mit Anfang Fünfzig entdeckt Jon Ewermann die wahre Liebe. Für die schöne und geheimnisvolle Julie will er sein bisheriges bequemes Leben aufgeben und noch einmal ganz neu anfangen – notfalls mit Gewalt.
Am Anfang war gutes Mutterfutter. Nun drücke ich täglich selbst die Knöpfe am Herd DJ-Pult. Denn Essen ist viel, viel mehr als nur schnelle Nahrungsaufnahme zwischen zwei Meetings. Bei einem guten Essen mit guten Zutaten, kriegt nicht nur der Körper das, was ihn fit hält. Anregende Tischgespräche, Momente, in denen die ganze Familie zusammen kommt, beste Freizeitbeschäftigung – Essen, da steckt sehr viel gelungenes Leben drin. Also lasst uns gemeinsam das Kochleben rocken!
Sie aß, als hätte sie lange nichts gekriegt und als würde es lange nichts mehr geben. Hat es geschmeckt ? Vorzüglich. Auf dem Deckel Ein Auftrag, der den Auftraggeber eigentlich nicht…
Schon früh war Maravan fasziniert von den Vorgängen, die ein paar krude Rohprodukte in etwas ganz anderes verwandelten. Hat es geschmeckt ? Oh ja, Kopfgourmetware. Auf dem Deckel Maravan, 33, tamilischer…
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Es war melancholisch und vielleicht auch ein bisschen seltsam, wie der eigene Körper sich beim Älterwerden immer weiter von dem Aussehen entfernte, das man am liebsten gehabt hätte, während die alten…